Leo Ettlin (*28. Juli 1928; † 31. März 2010) Pater Leo Ettlin war ein Schweizer Benediktinermönch, Kulturhistoriker und von 1976 bis 1984 letzter Direktor des Benediktinerkollegs in Sarnen (heute Kantonsschule Obwalden), einer traditionellen humanistischen Schule von nationaler Bedeutung.

Leo Ettlin war ein hoch angesehener Vertreter des Benediktinerklosters Muri-Gries und der Schweizer Benediktinerkongregation als Lehrer, historischer Publizist, bienenfleißiger Fachbuchkritiker und eloquenter Prediger.

Unter dem bürgerlichen Namen Josef Florentin Ettlin wurde Pater Löwe am 28. Juli 1928 in Kerns, Obwalden, in der gleichen Kirche getauft, in der 511 Jahre zuvor der Schutzpatron Klaus von Flüe das nasse Sakrament erhalten hatte.

Nach dem Abschluss des Collegium Sarnen (1949) und dem ersten theologischen Semester in Chur trat er am 25. September 1951, dem Todestag seines Großvaters Florentin, in das Kloster Muri-Gries ein. Neben dem Priestertum bedeutete Klio, die Muse der Geschichte, auf die gleiche Weise die Berufung zu ihm. Neben einigen der fähigsten Schweizer Historiker wurde er Schüler des berühmten Professors Oskar Vasella in Fribourg (Üechtland). Die Dissertation über den Gründer der Hochschule Sarnen, den Goldsucher und Ex-Jesuiten Johann Baptist Dillier (1668 – 1745), war ein Höhepunkt der Reihe „Obwaldner Geschichtsblätter“ (1969) in Sachen Kulturgeschichte in der Zentralschweiz.

Nach dem Gründer Dillier und der Übernahme des Kollegiums Sarnen durch die aus dem Aargauer Kloster Muri vertriebenen Benediktiner (1843) sollte Josef Florentin Ettlin als Pater Löwe der letzte geistliche Rektor einer bedeutenden Bildungseinrichtung werden. Die Benediktinerschule Sarnen hatte zum Beispiel den Schriftsteller Heinrich Federer, die Bundesräte Ludwig von Moos und Flavio Cotti, Politiker wie Adalbert Durrer, Josef Leu und Hans Hess (Ständerat Obwalden), ferner Klaus Hug, den Direktor des Bundesamtes für Wirtschaft, Handel und Arbeit, Josef Wolf, den Propheten von Beromünster, sowie zahlreiche herausragende Mediziner, so der damalige Berner Internist Erwin Miloni, ein hochbegabter Schüler, der für jedes Studium offen gewesen wäre. Unter dem Rektorat von Leo Ettlin – dank der Toleranz des eigenwilligen und genialen Künstlers Adrian Hossli – blühte das von Heinrich Federers Vater gegründete Schultheater in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts zum letzten Mal auf.

Nach dem Ausscheiden von herausragenden Lehrern wie Pater Sigisbert Frick (Literaturgestalt) und Pater Rupert Amschwand (Bruder Klaus-Forscher), beide mit dem Kulturpreis der Zentralschweiz ausgezeichnet, sowie nach dem Tod des legendären Schulmanns Bonaventura Thommen, einem wahren Universalgelehrten, konnte die Benediktiner-Schule auf Dauer nicht erhalten werden.

Leo Ettlin hatte sich als Präfekt des Gymnasiums ausgezeichnet. Diskussionen über Politik, Geschichte, Literatur, auch über Fragen der katholischen Kirche, die damals zu Beginn des 2. Vatikanischen Konzils stattfanden, waren in seiner Anwesenheit in strikter Offenheit möglich. Er veranschaulichte das Prinzip der explorativen Wanderungen auf den Spuren der Geschichte für mich und andere auf einzigartige Weise. Ich kann persönlich für die Integrität dieses spirituellen Lehrers, Erziehers und wichtigen Gelehrten bürgen. Es wurde auch nie in Frage gestellt. Pater Leo hielt sich von einer zu großen Nähe fern, sowohl durch einen gewissen Sarkasmus als auch generell durch das benediktinische Maß und seinen eigenen Gerechtigkeitssinn. Am wenigsten entsprach ihm die Kälte des Herzens, die Unverbindlichkeit und der Zynismus.

In den späten Jahren zeichnete sich Pater Leo Ettlin dadurch aus, dass er etwa tausend Buchausgaben schrieb, von denen die meisten im Auftrag der Schweizer Kirchenzeitung entstanden sind. Hier erlaubte er sich nicht die geringste Oberflächlichkeit, auch wenn nur wenige Linien beteiligt waren. Selten erhielt er uneingeschränktes Lob als Lehrer oder als Rezensent. Dennoch schrieb er nie Tränen, so wie der geduldige Pädagoge nie einen Schüler „zerrissen“ hätte. Im Kloster Muri, in dessen benediktinischem Hospiz er seine alten Tage verbrachte, profitierten Besucher des Hauses Habsburg von seinem erzählerischen Talent. Die einzigartige Bandbreite seines kulturhistorischen Wissens kam auch dem Schweizer Radio DRS zugute.

Pater Leo Ettlin starb in der Nacht vom 30. auf den 31. März 2010 im Pflegeheim nahe dem Kloster Muri. Die Tatsache, dass er in den letzten Jahren seines Lebens keine Bücher mehr gelesen hat, deutete darauf hin, dass er es zulassen wollte. Mit dem letzten Rektor der Hochschule Sarnen ist eine Epoche in der Bildungsgeschichte des Landes ins Grab gefallen.

Pirmin Meier, Gymnasiallehrerin und Autorin, Beromünster/Schweiz